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Über meine Zeit in Brasilien und Portugal und das Portugiesische

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In Deutsch­land gibt es ein­zeln ein­ge­schweiß­te Gur­ken. Das wür­de hier wohl kei­ner verstehen.

Obwohl, wenn ich mir anschaue, was hier alles ein­ge­schweißt wird, soll­te ich da auch bes­ser nie­man­den auf Ideen bringen…

Supermärkte

Super­märk­te die­nen hier­zu­lan­de oft der Arbeits­be­schaf­fung. Das ist jeden­falls oft mein Ein­druck. Ich gehe hier nur sehr unger­ne in grö­ße­re Super­märk­te, weil die meis­ten so unglaub­lich inef­fi­zi­ent sind.

Das beginnt bei dem Par­ken. Vie­le Super­märk­te haben an jedem Tor eine Per­son ste­hen, die das Kenn­zei­chen auf­schreibt, den Zet­tel dem Fah­rer gibt, damit der Fah­rer das beim Her­aus­fah­ren wie­der abge­ben kann. Der Zet­tel wird an der Kas­se nicht vor­ge­zeigt oder etwas dar­auf ver­merkt. Es wird nichts wei­ter damit gemacht. Aber gut n=(Anzahl der Tore) Per­so­nen haben Arbeit! (Und auf­grund der lan­gen Öff­nungs­zei­ten sicher­lich mehr als n.)

In den Super­märk­ten gibt es vie­le Mit­ar­bei­ter, die die gan­ze Zeit irgend­wel­che Sachen in Rega­le ein- oder umräu­men. Dabei habe ich aber nie Mit­ar­bei­ter gese­hen, die flott bei der Sache wäh­rend. Meis­tens räu­men sie gemäch­lich zu zweit ein.

Gemü­se und Obst muss nor­ma­ler­wei­se gewo­gen wer­den. Aber das kann man Kun­den natür­lich nicht zumu­ten. Je nach Grö­ße des Mark­tes ste­hen 1–4 Per­so­nen stän­dig an einer „Wie­ge­the­ke“, um das Gemü­se und Obst getrennt auf eine Waa­ge zu legen und in Plas­tik­sä­cke zu packen.

Nor­ma­le“ The­ken wie Frischfleisch‑, Käse- oder Fisch­the­ken habe eben­falls nie an Per­so­nal­man­gel zu lei­den. Meis­tens haben sie aller­dings nur beschränkt Platz vor der The­ke und ledig­lich eine War­te­schlan­ge. Mit dem Ergeb­nis, dass nur zwei oder drei Kun­den gleich­zei­tig bedient wer­den kön­nen und wei­te­re Ver­käu­fer hin­ter der The­ke die neu­es­ten Fuß­ball­ergeb­nis­se dis­ku­tie­ren kön­nen, wäh­rend die Kun­den­schlan­ge immer län­ger wird.

Aber, Ein­wurf: gene­rell kön­nen Bra­si­lia­ner war­ten. Und war­ten. Und war­ten. Und war­ten. Wäh­rend ich schon lang­sam Zuckun­gen bekomme.

Was eine gute Vor­be­rei­tung für den schlimms­ten Teil fast jedes Super­mark­tes hier ist. Die Kas­sen­zo­ne. In gro­ßen Super­märk­ten gibt mit­un­ter 20–40 Kas­sen, aber die Leu­te stau­en sich trotz­dem der­ma­ßen, dass ich durch­schnitt­lich 25 Minu­ten für den Bezahl­vor­gang brau­che. Ein­mal habe ich 50 Minu­ten (!) gebraucht, um ca. 20 Arti­kel durch die Kas­se zu bringen.

  • Es gibt nicht immer För­der­bän­dern an den Kas­sen. Und wenn, sind sie nur ca. 1,5 Meter lang. Man kann also nicht früh­zei­tig anfan­gen, die Sachen aufs Band zu legen. Die meis­ten begin­nen sogar erst dann mit dem Auf­le­gen, sobald der vor­he­ri­ge Kun­de fer­tig ist. Viel­leicht auch, weil es meis­tens kei­ne Waren­tren­ner gibt. Der Kas­sie­rer war­tet dann erst­mal etwas.
  • Nach dem Kas­sie­rer gibt es auch nur rela­tiv wenig Platz für die erfass­ten Waren. D.h. dass rela­tiv schnell wie­der umge­packt wer­den muss, wäh­rend­des­sen kei­ne wei­te­ren Waren erfasst wer­den können.
  • Das geschieht aber nur sehr lang­sam. Ich bin immer wie­der erstaunt, wie lang­sam Kun­den und Kas­sie­rer sind. Die meis­ten Kun­den sind sehr gemäch­lich und legen Waren ein­zeln, fast schon medi­ta­tiv, auf das Mini­band. Die Kas­sie­re fas­sen auch die Waren ein­zeln bedäch­tig an und tip­pen rela­tiv oft die EAN-Codes ein, was nicht für die Scan­ner­qua­li­tät spricht.
  • Doch bevor über­haupt etwas ein­ge­scannt wer­den kann, geben die meis­ten ihre Steu­er­num­mer (CPF) auf einer Tas­ta­tur ein. Die kann vor jedem Kauf­vor­gang ein­ge­ge­ben wer­den, um die­sen Kauf auch steu­er­lich abrech­nen zu können.
  • Nach dem Kas­sie­rer steht oft eine Per­son, die alles in Tüten ein­packt. (Ein­schrän­kung: Das sehe ich gefühlt nur in 50% aller Super­märk­te hier.) Und zwar in klei­ne Tüten. Vie­le Tüten. Mit einem grö­ße­ren Ein­kauf kommt man pro­blem­los auf 10–20 Plastiktüten.

 

Mitt­le­rer Ein­kauf mit sehr vie­len Tüten.

Habe ich noch etwas ver­ges­sen? Ach­ja, hin­zu kom­men dann noch etli­che Sicher­heits­leu­te, die im Super­markt her­um­lau­fen und auf­pas­sen. Die Ver­wal­tung ist garan­tiert auch nicht gera­de schlank. Welch ein Genuss, in Deutsch­land dann nach dem Lan­den sofort mal in einen Aldi zu gehen…

Geldprobleme

In Bra­si­li­en wird über­wie­gend per Kar­te bezahlt. Das ist auch sinn­voll, weil es hier oft an Bar­geld man­gelt. Genau­er gesagt, an Mün­zen. Es ist schon ab und zu vor­ge­kom­men, dass die Bedie­nung Pro­ble­me hat­te, mir Wech­sel­geld für den gewal­ti­gen 50-Real-Schein (ca. 15 Euro) zu geben. (Nor­ma­ler­wei­se zah­le ich mit Kreditkarten.)

Man­che Unter­neh­men sind so ver­zwei­felt über den Man­gel an Mün­zen (die sie offen­sicht­lich auch von den Ban­ken nicht in aus­rei­chen­der Men­ge bekom­men kön­nen), dass sie Wer­be­kam­pa­gnen star­ten und um Bezah­lun­gen in Mün­zen bet­teln. Das pro­mi­nen­tes­te Bei­spiel dafür ist die Metrô de São Pau­lo. In jeder Sta­ti­on sieht man Pla­ka­te, die zum Kauf von Fahr­kar­ten mit Mün­zen auffordern.

Der Man­gel an Wech­sel­geld hat wirt­schaft­li­che Kon­se­quen­zen. Da nicht genug Wech­sel­geld vor­han­den ist, wird der Fahr­preis oft redu­ziert. Nach einem Zei­tungs­be­richt kos­tet das die Metrô über 6 Mil­lio­nen Real jedes Jahr.

  • Eine Ein­zel­fahrt kos­tet nor­ma­ler­wei­se 3,80 Real, unge­fähr 1,10 Euro.
  • Oft hän­gen Zet­tel an den Fahr­schein­aus­ga­ben, dass eine Fahr­kar­te heu­te nur 3,75 Real kos­tet. (Es gibt vie­le 25 Centavos-Münzen, aber wohl nicht so vie­le 10 Centavos-Münzen.)
  • Ab und zu hän­gen Zet­tel aus, dass eine Fahr­kar­te heu­te nur 3,50 Real kostet.
  • Und angeb­lich gibt es manch­mal auch Fahr­kar­ten für 3 Real. (Das habe ich aber selbst noch nie gesehen.)

Beim Nach­den­ken über mög­li­che Grün­de, war­um Bar­geld hier sol­che Pro­blem macht, fiel mir auf, dass ich auch selbst fast nie mit Mün­zen bezah­le. Weil der Wert der Mün­zen zu gering ist.

Die kleins­te Bank­no­te hat einen Wert von 2 Real. Dafür bekommt man einen Kaf­fee. Für 1 Real oder noch weni­ger bekommt man fast nichts, höchs­tens ein­zel­ne Bon­bons oder Süßig­kei­ten. Und die Mün­zen sind auch noch rela­tiv groß und schnell sehr zahl­reich im Porte­mon­naie ver­tre­ten. Was das Bezah­len damit dop­pelt schwie­rig macht, weil es sehr lan­ge dau­ert, der­ma­ßen vie­le Mün­zen zusam­men­zu­brin­gen, um etwas „nor­ma­les“ damit kau­fen zu kön­nen. Womit man auch alle ande­ren Kun­den gegen sich auf­brin­gen wür­de, die schnell mit Kar­te bezah­len wol­len, wäh­rend man selbst zwei Minu­ten lang Münz­tür­me an der Kas­se baut.

Im End­ef­fekt füh­re ich fast immer nur Bank­no­ten zusätz­lich zu einer Kre­dit­kar­te mit mir her­um. Und sam­me­le Mün­zen, unge­wollt. Aber dafür ich tue ab und zu Gutes und gehe mit einem Plas­tik­sack zur Metrô, den jemand dann mit leuch­ten­den Augen animmt und mei­ne Metrô-Chipkarte mit dem Betrag auf­lädt, den ich sage. Ohne nach­zu­zäh­len. Aber war­um auch, wenn allei­ne die Tat­sa­che „vie­le Mün­zen“ einen Wert an sich darstellt.

Barreirinhas und Atins. Unangenehme Orte an sehr angenehmer Wüste. Teil 1

Im vor­letz­ten Bei­trag ging es um die Len­çois Maran­hen­ses, die Wüs­te Bra­si­li­ens. So schön sie auch ist, Infra­struk­tur gibt es dort natür­lich über­haupt nicht. Des­we­gen muss man sich in einem der Orte in unmit­tel­ba­rer Nähe einquartieren.

Barreirinhas

Der größ­te Ort (!= groß) in der Nähe heißt Bar­reirin­has. Der Ort lebt fast kom­plett vom Tou­ris­mus. Und da Tou­ris­ten die ein­zi­gen sind, mit denen man Geld ver­die­nen kann, wer­den sie auch gejagt.

Wir fuh­ren in einem der vier täg­lich ver­keh­ren­den Bus­se aus São Luíz, der Haupt­stadt des Bun­des­staa­tes Maran­hão, nach Bar­rer­in­has.  Ab dem Orts­ein­gang began­nen Motor­rä­der, den Bus zu beglei­ten. Des­sen (Bei-) Fah­rer schau­ten sich genau die Pas­sa­gie­re des Bus­ses an und ver­such­ten mit jedem, der halb­wegs nach Aus­län­der aus­sah, Blick­kon­takt auf­zu­bau­en und über Papp­schil­der bereits ers­te Ange­bo­te zu kom­mu­ni­zie­ren. Als der Bus an einem zen­tra­len Platz an sei­ner End­sta­ti­on ange­kom­men war, waren es gut 10 Motorräder.

Beim Aus­stieg muss­ten die Pas­sa­gie­re durch einen Trau­be an sehr selbst­be­wuss­ten „Ver­käu­fern“. Und ich und mei­ne Beglei­tung aus Mün­chen waren in die­sem Bus auch noch die ein­zi­gen Tou­ris­ten. (Es war Neben­sai­son, als wir im März da waren.)

Naja, letzt­end­lich haben wir auch das über­stan­den. Aber ange­nehm war das nicht. Der Ort an sich hat auch wirk­lich nichts zu bie­ten. Die rela­tiv kur­ze Zeit am Tage, die wir dort auf den Stra­ßen waren, wur­den wir öfter ange­spro­chen von mit­un­ter sehr pene­tran­ten „Ver­käu­fern“. Und kaum ist man frei­wil­lig in einer Agen­tur, weil man eine Tour oder Über­fahrt buchen will, ver­su­chen schlei­mi­ge „Ver­käu­fer“, gleich noch viel mehr mitzuverkaufen.

Dies war der ers­te Ort Bra­si­li­ens, in dem ich mich wirk­lich unwohl gefühlt habe. Zum Glück woll­ten wir sowie­so recht schnell wei­ter in den Nor­den, zu einem Ort, von dem die Leu­te sagen, er sei einer der schöns­ten im Maran­hão, von dem man gar nicht mehr weg­woll­te. Ein idyl­li­sches Fischer­dorf, direkt an der Wüs­te gele­gen und zugleich am Atlan­tik: Atins.

Davon mehr im nächs­ten Beitrag.

Pünktlichkeit

Pünkt­lich­keit ist in Bra­si­li­en kei­ne Tugend. Wie die meis­ten Sekün­där­tu­gen­den, leider.

Im Prin­zip ist es hier genau­so wie in Spa­ni­en: Man ver­ab­re­det sich mit einer Grup­pe, zum Bei­spiel um 19 Uhr. Ab 19:30 kom­men die ers­ten. Gegen 21 Uhr sind dann fast alle am ver­ein­bar­ten Ort und man geht los. Wenn nicht jemand eine ande­re Idee hat, was man machen könn­te, und man dann sofort den vor­he­ri­gen Plan über den Hau­fen schmeißt. (Es sei denn natür­lich, man hat schon Ein­tritt bezahlt.) Fle­xi­bi­li­tät über alles.

Ich habe bereits mehr­fach Leu­te mit fol­gen­dem scho­cken kön­nen: Ich mache öfters auch Ter­mi­ne mit Per­so­nen, die ich sehr sel­ten sehe, ein hal­bes Jahr im Vor­aus aus. Wenn der Tag gekom­men ist, gehe ich zu dem ver­ein­bar­ten Ort. Ohne vor­her noch­mal mit der Per­son zu kom­mu­ni­zie­ren. Und: Die ande­re Per­son ist auch da!

Herz­still­stand. Grooo­ße Augen. Unfass­bar. Übermenschlich.

Das Strom­netz in Bra­si­li­en hat 110 und 220 Volt. Gleichzeitig.

Über­all sieht man Steck­do­sen, auf denen 220V steht, in Har­mo­nie neben 110V-Steckdosen. Manch­mal nur unschein­bar beschriftet.

Ich fra­ge mich, wie viel Elek­tro­schrott hier jedes Jahr des­we­gen anfällt.

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