Über meine Zeit in Brasilien und Portugal und das Portugiesische

Kategorie: Brasilien 2017 (Seite 2 von 3)

Pünktlichkeit

Pünkt­lich­keit ist in Bra­si­li­en kei­ne Tugend. Wie die meis­ten Sekün­där­tu­gen­den, leider.

Im Prin­zip ist es hier genau­so wie in Spa­ni­en: Man ver­ab­re­det sich mit einer Grup­pe, zum Bei­spiel um 19 Uhr. Ab 19:30 kom­men die ers­ten. Gegen 21 Uhr sind dann fast alle am ver­ein­bar­ten Ort und man geht los. Wenn nicht jemand eine ande­re Idee hat, was man machen könn­te, und man dann sofort den vor­he­ri­gen Plan über den Hau­fen schmeißt. (Es sei denn natür­lich, man hat schon Ein­tritt bezahlt.) Fle­xi­bi­li­tät über alles.

Ich habe bereits mehr­fach Leu­te mit fol­gen­dem scho­cken kön­nen: Ich mache öfters auch Ter­mi­ne mit Per­so­nen, die ich sehr sel­ten sehe, ein hal­bes Jahr im Vor­aus aus. Wenn der Tag gekom­men ist, gehe ich zu dem ver­ein­bar­ten Ort. Ohne vor­her noch­mal mit der Per­son zu kom­mu­ni­zie­ren. Und: Die ande­re Per­son ist auch da!

Herz­still­stand. Grooo­ße Augen. Unfass­bar. Übermenschlich.

Das Strom­netz in Bra­si­li­en hat 110 und 220 Volt. Gleichzeitig.

Über­all sieht man Steck­do­sen, auf denen 220V steht, in Har­mo­nie neben 110V-Steckdosen. Manch­mal nur unschein­bar beschriftet.

Ich fra­ge mich, wie viel Elek­tro­schrott hier jedes Jahr des­we­gen anfällt.

Lençois Maranhenses. In der Wüste Brasiliens

Nach einer Woche in Bra­si­li­en woll­ten ich und mein Besuch aus Mün­chen eigent­lich für zwei Wochen nach Peru. Flug war gebucht, die Pla­nung stand. Ein paar Tage vor geplan­tem Abflug fing es dort aller­dings zu reg­nen an. Und war der­ma­ßen stark, dass der Not­stand ver­hängt wur­de. Tote, kein Strom, unpas­sier­ba­re Stra­ßen und zer­stör­te Brü­cken hör­ten sich nicht danach an, als ob wir dort zwei Wochen ver­brin­gen woll­ten. Hel­fen kön­nen hät­ten wir ja doch nicht. Daher haben wir den Flug ver­fal­len las­sen und muss­ten über­le­gen, was wir mit den zwei Wochen jetzt anfan­gen würden.

Letzt­end­lich flo­gen wir nicht in die Anden, son­dern in den bra­si­lia­ni­schen Teil der Sahara.

Ja, das hört sich komisch an. Ist aber so. Dass Bra­si­li­en eine Wüs­te hat, ist in Euro­pa eher kein All­ge­mein­wis­sen. Die Len­çois Maran­hen­ses wären geo­lo­gisch aus Zei­ten Pan­gae­as Teil der heu­ti­gen Saha­ra in Afri­ka, sag­ten die Leu­te dort. Wenn man sich die Abbruch­kan­ten Afri­kas und Süd­ame­ri­kas anschaut, passt das auch genau.

(Len­çois Maran­hen­ses über­setzt: Maran­hãos Bett­la­ken [Maran­hão ist der Bun­des­staat Bra­si­li­ens, in dem die Wüs­te liegt]. Aus­spra­che: „Lens­zois“)

Im Gegen­satz zur „rechts­at­lan­ti­schen“ Saha­ra reg­net es in den Len­çois aller­dings sehr oft. Das führt zur Bil­dung unzäh­li­ger Lagunen.

Eine Lagu­ne. Am Ran­de der Wüs­te, noch mit Urwald im Hintergrund.

Lagu­nen, die im Win­ter (vor allem im Juli) eine Tie­fe von bis zu 7 Metern errei­chen kön­nen. Im März, am Ende der Tro­cken­zeit, waren die Lagu­nen zwar sehr flach, aber trotz­dem wun­der­schön anzu­se­hen. Und zum Baden natür­lich auch; den bei der Hit­ze fast direkt am Äqua­tor ver­bun­den mit sehr gerin­ger Was­ser­men­ge hat­ten wir über­all Badewannentemperatur.

Noch eine Langune.

Schon wie­der eine Lagune.

Genau­er gesagt besteht die Wüs­te aus Wan­der­dü­nen. Der Sand wird also vom Wind per­ma­nent hin- und her­ge­tra­gen und bil­det stän­dig neue Land­schaf­ten. Die Wüs­te sieht daher jedes Jahr etwas anders aus.

Zur Abwechs­lung zwei Lagu­nen auf einmal.

Über­rascht hat mich, was so alles in der Wüs­te wächst. Verz­ein­zelt sieht man etwas grü­ne Vege­ta­ti­on an Stel­len, an die sich etwas frucht­ba­rer Boden ver­irrt hat.

Wüs­te mit Mini-Vegetation. Und wahr­schein­lich auch Schlan­gen (nicht im Bild).

Zu sehr nähern soll­te man sich den grü­nen Stel­len aber nicht, wie uns Füh­rer sag­ten. Denn dort gäbe es oft Schlan­gen. Harm­los dage­gen, und nicht min­der inter­es­sant, fan­de ich die Pil­ze, die dort hin und wie­der zu sehen waren.

Wüs­ten­pil­ze. Naja, nicht wirk­lich. Sehen aus wie Cham­pingons. Hat aber kei­ner von uns geschmack­lich veri­fi­zie­ren wollen.

Die Land­schaft ist wun­der­schön und auf jeden­fall eine Rei­se wert. Aller­dings fand ich die­se Wüs­te nicht so „abwechs­lungs­reich“ wie die israe­li­sche Wüs­te, die Negev. Ein paar Tage dort zu ver­brin­gen, genügt. Denn auch wenn die Wüs­te etwa so groß wie São Pau­lo ist (~ dop­pel­te Flä­che Ber­lins, etwa hal­be Flä­che des Saar­lan­des): Sie ist nicht so abwechslungsreich.

Eine Lagu­ne mit zwei Dünen, die sich für’s Bild schön gemacht haben.

Es ist immer: Sand. Eine Düne. Mehr Sand. Sand. Oh, noch eine Düne. Bis zum Hori­zont. Und noch viii­iel weiter!

Aber es hat sich gelohnt. Viel­leicht kom­me ich hier irgend­wann noch­mal her. Dann aber im Juni oder Juli. Zum Tauchen.

Wo ich über­all bin. Jetzt statt­des­sen im Groß­raum­bü­ro sein, hach…

Ilha Grande. Weiße Strände, blaues Wasser, grüner Dschungel.

Nach zwei Tagen in Para­ty muss­ten Wag­ner und sei­ne Freun­de wie­der zurück nach São José dos Cam­pos. Ich fuhr dage­gen zusam­men mit mei­nem Besuch aus Mün­chen auf die Ilha Gran­de. Die gro­ße Insel.

Blick auf Vila do Abraão, der Haupt­ort der Insel.

Die Insel bestand vor 25 Jah­ren aus ein paar Häu­sern, in denen Fischer wohn­ten. Mit­te der 90er begann man mit der tou­ris­ti­schen Erschlie­ßung der Insel. Ich konn­te anfangs kaum glau­ben, dass fast alles maxi­mal 25 Jah­re alt sein soll. Aber in den (Sub-) Tro­pen bei hoher Luft­feuch­tig­keit altert wirk­lich alles sehr viel schneller.

Die Insel besteht heu­te aus dem Haupt­ort Abraão, und eini­gen auf der Insel ver­teil­ten Häu­sern (Unter­künf­te für Tou­ris­ten oder Häu­ser von Fischern). Moto­ri­sier­ter Ver­kehr ist ver­bo­ten, außer für staat­li­che Diens­te. Aber es gibt außer­halb von Abraão auch kei­ne Stra­ßen. Dafür durch­zieht die Insel ein Netz an Wanderwegen.

Dschungelwanderungen

Wobei.… der Begriff „Wan­der­weg“ hört sich hier eigent­lich zu zivi­li­siert an.  Oft­mals sind es nur klei­ne Pfa­de, die durch ver­schlun­ge­ne Pfa­de durch den unbe­rühr­ten Dschun­gel füh­ren. Mir war auch manch­mal nicht so wohl dabei, mich durch enge Pfa­de zu win­den, in dem Wis­sen, was hier so alles her­um­krab­belt und kriecht. Der ent­schei­den­te Ver­hal­tens­tipp ist hier­für übri­gens: Im Zwei­fel immer schnell wei­ter­ge­hen und nicht an dich­ten Stel­len län­ger ste­hen­blei­ben. Einen „Durch­blick“ über das, was gera­de in der Nähe ist, bekommt man mit sei­nen Augen und Ohren auf­grund der dich­ten Vege­ta­ti­on ja doch nicht.

Glück­li­cher­wei­se waren Affen die ein­zi­gen grö­ße­ren Tie­re, die uns begeg­net sind. Die schau­en immer mal kurz, ob man ihnen etwas gibt. Und wenn nicht, ver­schwin­den sie schnell wieder.

Unter­wegs wird man immer wie­der durch schö­ne Orte zum Ver­wei­len und Erfri­schen belohnt:

Cachoei­ra Da Feiticeira

Unzählige Strände

Mit Strän­den kann ich dage­gen ja nicht so viel anfan­gen. Ich fin­de sie lang­wei­lig. Ich bin nicht der Typ für das tage­lan­ge Her­um­lie­gen und Nichts­tun am Strand. Aber die Insel hat durch­aus schön anzu­se­hen­de Strän­de. Und für Strand­fans ist es wahr­schein­lich sogar eine Traum­in­sel. Fast 100 Strän­de soll es geben. Die meis­ten davon sind nur per Boots­ta­xi erreich­bar. (Lei­der habe ich von den Strän­den, die wir besucht haben, fast kei­ne Pho­tos gemacht; auf der Wikipedia-Seite gibt es mehr zu sehen.)

Strand Dois Rios

Endgegner: Sand

Lei­der hat­te die Insel auch eine nega­ti­ve Über­ra­schung für mich parat. Ich dach­te ja bei Gesund­heits­ri­si­ken eher an Schlan­gen­bis­se und Mos­ki­tos. Aber das, was mich dann doch tat­säch­lich zu einem Arzt getrie­ben hat, war: Sand.

Der Sand direkt vor Abraão ist stark ver­schmutzt. Zu vie­le Boo­te legen dort an und es gelangt dort etli­ches ins Was­ser, was da nicht rein gehört. Mit dem Ergeb­nis, dass direkt bei Abraão der Sand che­mi­sche Stof­fe ent­hält, die all­er­gi­sche Reak­tio­nen auf der Haut aus­lö­sen kön­nen. Nach eini­gen Tagen bin ich auf­ge­wacht und habe fest­ge­stellt, dass mei­ne bei­den Bei­ne groß­flä­chig rote Fle­cken haben.

Als ich das dem Besit­zer unse­res Hos­tels zeig­te, frag­te er sofort, ob ich hier direkt im Was­ser gewe­sen wäre. Hät­te er auch schon gehabt. Hm, ok, also ist das wenigs­tens ein bekann­tes Pro­blem. Der Apo­the­ker mein­te das auch, die Sekre­tä­rin im Gesund­heits­zen­trum auch und letzt­end­lich auch die Ärztin.

Die Ärz­tin hat mir auch gesagt, dass das hier stän­dig vor­kä­me und man eigent­lich nicht hier direkt am Ort ins Was­ser gehen soll­te. Auf mei­ne Fra­ge hin, war­um dann nicht an die­sen Stel­len Warn­schil­der auf­ge­stellt wür­den, sag­te sie, dass das eine gute Idee wäre. Aber das wür­de die Gemein­de nicht machen. War­um, wuss­te sie auch nicht. Ist hier halt so.

Das ist auch so etwas typi­sches für Bra­si­li­en: Ver­ant­wor­tungs­lo­sig­keit. (Dar­über muss ich einen eige­nen Bei­trag schrei­ben.) Man lässt lie­ber täg­lich Tou­ris­ten medi­zi­nisch völ­lig ver­meid­bar behan­deln, anstatt ein paar Schil­der am Strand auf­zu­stel­len, dass man doch bit­te die 99 Strän­de der Insel ger­ne nut­zen kann, aber genau die­sen einen auf­grund der Wasser-/Sandverschmutzung lie­ber nicht. Ich bin so glück­lich über den funk­tio­nie­ren­den deut­schen Staat, der dort wahr­schein­lich bin­nen 24 Stun­den einen gan­zen Schil­der­wald auf­ge­stellt hät­te. Oder gleich einen Zaun.

Naja, Ende von der Geschich­te: 3x täg­lich eine ver­schrie­be­ne Sal­be drauf­schmie­ren, dann geht es nach einer Woche weg. Und so war es dann auch.

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